Alle haben Beatles
"strawberry feels forever" dichtete Don Van Vliet schon 1968 um: Zeilen, die etwas anderes meinen in "Beatle Bones and Smoking Stones" (Captain Beefheart, Strictly Personal). Die BBC Legende John Peel antwortete gerne auf die ständig gestellte Frage nach der besten Band der Welt, dass es die Fan Chöre seines heimischen Liverpooler Fussballvereines seien, die Red Fans dichten schon seit Jahrzehnten und noch heute Beatles Songs um. Mein Lieblings-Beatles Album ist „All Things Must Pass“ von George Harrison. Irgendwie haben alle ihre Beatles; die doch eher ein Beatles Gefühl meinen als die originalen The Beatles. Und so heißt natürlich auch das neue Album der Berliner Band Chuckamuck nicht „The Beatles“, sondern „beatles“. Es dreht sich nämlich nicht um die Fab Four aus Liverpool, sondern um ein Beatles Gefühl, das vermutlich viele von uns haben. Vielleicht sind die drei Berliner auch Stück für Stück hereingeritten in dieses Gefühl, diesen Sog, diese Platte - bis der Titel unausweichlich wurde.
Zu Anfangs stand erst einmal nur der Plan auf einen Hof zu ziehen im Umland, und zwar mit Sack und Pack, Studio, Drums, Studer Pult, Mikrofonen, Gitarren und Kram - um, in (pandemischer) Abgeschiedenheit ihr viertes Studio Album aufzunehmen und zu produzieren. Es wurde dann auch erstmal viel gebaut: mit Holz und Nägeln, Tischlerei und Technik: Raum in Raum, Regie Raum, Kabinen - alles in einen Hof in Ringwalde in Brandenburg/Uckermark. Alles klassische DIY aber mit dem Wissen der Wollenden.
Es sollte wohl erst ein, quasi, weißes Album werden, das sowohl von der bisherigen (sog.) Garage Geschichte der Band handelt, als auch von etwas Neuem, in das man Stück für Stück hineingeriet und nicht mehr rausfinden wollte. Chuckamuck haben sicher in ihrer Zeit einige gute Marker gesetzt, als Band, als Idee, als Satz, als Erlebnis. Sie wurden oft als Einfluss erwähnt und haben hier einer neuen Generation Nährboden bereitet (schon wieder das Land). Von den ersten Fäden erzählt dann die vorgekoppelte Single VÖ "Die Ewige Party", straight nach vorne. Ganz anders „beatles“... Viel eher als Indie, Postpunk, Garage hören wir eine poetische Country Band, die mit den Beatleszeichen spielt und mit anderen Western wie aus El Pesoburg zu kommen scheinen. Warm klingt das und traurig schön!
“beatles” ist eine Coming Of Age (Coming In Age) Angelegenheit. Deswegen auch der tolle Titel. Abgekoppelt von Tourneen und Passieren beschließt die Band, ob sie will oder nicht, einen Ausweg, einen Heimweg mit Aussicht. Entschleunigt mutig und innig spazieren die Lieder des vierten Albums durch einen Wald aus Zeichen und Buchstaben. Mit warmen Selbstvertrauen folgt eine Ode an den Rückzug, das Landleben, die Tiere, die Liebe, das Wundern und Wollen und das nicht-Funktionieren. Langsamer sind die Titel, musikalischer, wohliger und nicht so anstoßend, im Sinne von unverträglich mit der Realität. Dieser ist die Band auf eine Art entflohen, um sie, eventuell in anderem Gewand wiederzufinden.
Statt „beatles“ in der Weißen Album Phase zu verorten, würde ich eher Richtung zwischen Rubber Soul und Magic Mysterie gehen, ansonsten wäre ja auch schon bald Schluss mit den Beatlemucks. Es gibt, beim mehrmaligen Hören, doch sehr viele Verweise, Links, Zeichen zu The Beatles in den Kompositionen, den Texten, die immer wieder gerne die Geschichte verlassen um quasi aus dem Fenster zu schauen, die Tiere und Orte. Titel wie Vögel, Friedhof, Miss Lonelyhearts usw. in der Art zu singen. Aber das fällt erst auf, tief in der Platte. Erstmal ist es dieses Beatles-Feeling einer Band, die vor den Krisen der Stadt sich aufs Land verzogen hat und dort in Ruhe und ohne Konzerte (wie die Beatles) ein Album aufgenommen haben, das sicher viel von dem Ort und der Stimmung beeinflusst ist. Chuckamuck sind entschleunigt und im Detail alles andere als schluderig. Es wirkt manchmal so, doch das ist falsch. Eigentlich ist alles genau richtig, mehr wäre scheisse gewesen. Souliger, fette Drums, Computer - nein. Zum Glück! Es könnte sich etwas anti-zivilisatorisches reinlesen, aber vielleicht hören wir eher eine Entschleunigung und eine irre Lust, den Alltag halt mal seien zu lassen. „UV Index“ fängt so an, oder das schöne Liebeslied „Vermisst“. Eigentlich sind es fast alles Liebeslieder, die aber auch vom Zerbrechen reden und zögern, von Orten und Innehalten und weggehen. Die Bilder wechseln innerhalb der Lieder. Es ist auch eine große Geschichte der Freundschaft. Wie die der Beatles. So bleibt stets dieser Charme des etwas hingehuschtem, traurigem, vorsichtigem – ein Gegenteil von toxischer Stadt. Irgendwo zwischen den Songs, Dingen, Leben, Menschen und Tieren nistet sich dieses Album ein und wächst und zweifelt.
Auf dem Land hat sich die Band gespiegelt und zu einem Beatles Moment gefunden: Revolver, Magic Mysterie, Strawberry feels/fields. Die Aufnahmen klingen so selbstbewusst wie angreifbar. Na und! Ganz sicher die beste Chuckamuck Platte dieser Zeit! Ich finde All Things Must Pass immer noch etwas geiler. Aber auch dieser Spirit ist da: dieses Aufnehmen und zurückhalten von Allem: hier drückt nichts, hier ist alles da.
Ich finds toll und bringe noch mal Captain Beefheart unter: The Dark - The Light - The Dark - The Day.
(Daniel Meteo)